Mein Reisen durch die Küchen Italiens und Sardiniens hat mich im Juni zu Pina Marcis gebracht. Die warmherzige Sardin hat mich in ihrem Zuhause in Abbasanta in das Geheimnis der handgemachten Fregula eingeweiht und mir die Herstellung auf die ganz traditionelle Weise gezeigt. Zurück kam ich mit einem glücklichen Honigkuchenpferd-Gesicht und mit einem mit Herz und Hand gemachten Korb voll dieser 1.000-jährigen Pastasorte.
Klar, bei meinen Recherchen und meinen Reisen durch die Küchen gucke ich am liebsten nicht nur zu, sondern packe selbst meine Schürze aus und tauche die Hände ins Semola. Mit Schürze und großer Vorfreude machte ich mich auf nach Abbasanta in der Region Oristano im Westen Sardiniens. Fregula Sarda ist in der Region Oristano entstanden und damit perfekt für meine Recherche. Und noch perfekter, weil hier Pina wohnt.
Ich begebe mich zum Ursprung der Pasta und zu Foodbloggerin Pina
Pina ist Foodbloggerin und hat allein auf Instagram schlichte 17.000 und mehr Follower. Pina ist aber vor allem auch auf Sardinien unterwegs um die traditionellen, ursprünglichen Rezepte, sei es Pasta, Dolci oder Brot zu präsentieren. Sie gibt Workshops bei sich zu Hause, aber auch bei Festen und Veranstaltungen, Degustationen und Livecooking. Die alten Rezepte nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, die wertvollen Traditionen Sardiniens zu repräsentieren und dafür zu begeistern ist ihr Herzensprojekt.
Das Wort Herz beschreibt diese wundervolle Frau auch besonders treffend. Pina ist eine so liebevolle, aufmerksame und fröhliche Person. Wer mit ihr zusammen ist, macht eine herzliche Erfahrung, wird wundervoll umsorgt, mit einem fröhlichen Lachen angesteckt und erlebt pure Leidenschaft.
Als sich mir an diesem Morgen die Haustür öffnet, stehe ich einer gutgelaunten, herzlichen Sardin gegenüber. Auf dem Tisch in der Küche steht bereits alles für den Kurs bereit. Im Zentrum stehen zwei große Terrakottatöpfe. Im sardischen heißen diese Scivedda. In diesem Tongefäß werden auf der ganzen Insel traditionell Teige und Pastasorten hergestellt. Für die Fregula ist er zentral.
Fregola oder Sa Fregula ?
Fregula hat eine mehr als 1000-jährige Geschichte und zählt damit zu den ältesten Pastasorten. Der Teig besteht aus Semola, Salz und Wasser und wird lange geknetet und im Scivedda durch eine Handtechnik geformt. Die Herstellung in reiner Handarbeit ist in vielen früheren Statuten nachlesbar und zeigt ein Stückweit den Stellenwert des Handwerks auf Sardinien.
Fregula – kommt vom Wort Krümel. Vielleicht kennst Du die Pasta auch als Fregola – also mit einem „o“. Tatsächlich ist der sardische Name Sa Fregula mit einem “u“. Die krümelige Form erinnert an Cous-Cous. Ein Zusammenhang ist nicht überliefert, aber würde zum tatsächlich existierenden arabischen Einfluss in der sardischen Küche passen. In diversen deutschen Social Media Beiträgen oder Blogs lese ich immer wieder den Vergleich zum Risotto. Tatsächlich aber ähnelt Fregula Couscous und wird vergleichbar gekocht.
Fregula wird anders als die sonst so stark von Fleisch geprägte Hirtenküche vor allem mit Fisch, Meeresfrüchten und Gemüse serviert. Eines der bekanntesten Gerichte, das auf der ganzen Insel verbreitet ist, ist Fregula con frutti di Mare. Es hebt damit die Fischerei auf Sardinien hervor. Auch bei Pina bekomme ich meine Fregula con Frutti di Mare serviert. Da dies mein absoluter Favorit ist, bin ich allein deswegen schon der glücklichste Mensch an diesem Tag.
Mir ist es wichtig die authentische Herstellung der Fregula zu lernen
Als ich meine Schürze umlege, liegen vor mir fünf Stunden Semola per Hand formen. Was sich beim Lesen für Dich vielleicht viel anhört, merke ich selbst gar nicht. Ich bin völlig drin im Tunnel und spüre gar nicht, wie die Zeit dahinfliegt.
Erstmal heißt es aber für mich zusehen. Der Start entscheidet schon, ob es gut wird oder nicht. Aus diesem Grund zeigt mir Pina zunächst wie es grundsätzlich geht und erklärt dabei auch, worauf es im Einzelnen ankommt. Danach darf ich ran. Langsam und in Ruhe geht Pina mit mir jeden Schritt noch einmal durch. Mir ist wichtig, die authentische Weise von Grund auf zu lernen. Daher nehmen wir uns dafür auch die Zeit.
Wir starten mit einem Löffel Semola Grosso, Aqua e Sale und einer besonderen kreisenden Bewegung der Hände im Terrakottatopf. Ist eine Grundkonsistenz erreicht geht es abwechselnd mit einer Prise Semola und einem Löffel Aqua sowie den kreisenden Handbewegungen weiter. Das braucht das richtige Gespür für das Verhältnis von Wasser und Semola, den richtigen Zeitpunkt und die präzisen Handbewegungen. Passt das nicht, bilden sich vielleicht Klumpen oder das Gegenteil passiert und das Semola verbindet sich nicht zu den kleinen Fregula-Krümeln. Ich lerne viele kleine Geheimnisse, die ich anders garantiert niemals gelernt hätte.
Entscheidend ist natürlich auch die Größe. Fregula gibt es in verschiedenen Größen, beziehungsweise entstehen in verschiedenen Größen. Das hast Du aber im wahrsten Sinne des Wortes in der Hand. Hast Du eine gewissen Menge im Topf hergestellt, schöpfst Du sie ab und lässt sie auf einem Leinentuch trocknen. Gelingt Dir das richtige Krümeln nicht immer und Du hast überschüssiges Semola, siebst Du auch mal. Nach dem Durchtrocknen wird die Pasta im Backofen geröstet.
Ich bekomme ein Gefühl für die richtige Technik und das Wirken der Zutaten
Was erstmal nicht so schwer aussieht, braucht aber doch ein bisschen Übung. Ganz genau, ich möchte es nicht irgendwie machen, sondern richtig und mit dem bestmöglichen Ergebnis. Da das Lernen am besten geht, wenn man wirklich selbst probiert, rühre, knete, schütte und siebe ich konzentriert drei Stunden lang vor mich hin.
Für mich die absolut beste Art zu lernen. Ich bekomme selbst ein Gefühl dafür, wie sich die verschiedenen Komponenten verhalten, wenn ich jeweils etwas verändere. Pina gibt dabei Tipps, korrigiert mich, wenn nötig, siebt überschüssiges Semola heraus, beruhigt mich, wenn ich mal wieder die Stirn auf Grund von Zweifel runzle und versorgt mich mit Erfrischungen und Caffè.
Hinterher bin ich nahezu fassungslos, dass ich tatsächlich komplette drei Stunden konzentriert gearbeitet habe. Ich bin vor allem aber so glücklich, dass ich von innen strahle. Ich könnte nicht stolzer sein, als ich den riesigen Korb voll von meiner per Hand und mit Ruhe, Zeit und eine riesigen Portion Amore hergestellt habe. Auf dem Foto von mir mit dem Korb leuchtet gerade auf der Stirn „yes, das habe ich selbst gemacht“.
Pina ist wirklich die perfekte Lehrerin für mich für Fregula. Sie ist zudem leidenschaftliche Köchin und Bäckerin und hat die Rezepte, Geheimnisse, Traditionen und die Handgriffe von ihrer Mutter und ihrer Großmutter gelernt. Ich bin so unfassbar dankbar, dass sie dies alles mit mir teilt und ich all das nach Deutschland mitnehmen darf.
Apropos mitnehmen, da mein großer Korb erstmal durchtrocknen muss, rösten wir die Pasta nicht. Ich bekomme sie schön verpackt mit. Die gute Nachricht ist, dass ich in meinem Ferienapartement einen Backofen habe. Kleiner Tipp an dieser Stelle, wenn Du auch im Sardinienurlaub kochbegeistert bist, suche Dir ein Appartement von einem Einheimischen, nicht über eine Agentur oder Unternehmen. Letztere haben meist nur eine sehr spartanische Küchenausstattung während Einheimische richtig tolle Küchen mit allem was das Herz begehrt bieten.
Meine Degustation: Fregula con Frutti di Mare
Während ich meine Begeisterung der letzten Stunden noch feiere, bereitet Pina den Pranzo zu. Ich würde Dir gern den Duft aus der Küche durch das Web schicken. Es riecht phantastisch. Ich sitze glücklich und zufrieden auf meinem Stuhl und schaue entspannt Pina beim Kochen und Anrichten zu. Das Rezept luchse ich natürlich auch ab.
Und dann ist auch dieser Moment da. Mit einem strahlenden Gesicht serviert mir diese liebgewonnene Frau einen Teller voller Herzensmomente. Das Aussehen, der Duft und als ich den ersten Löffel im Mund habe auch der Geschmack, könnte nicht besser sein. Es ist ein sehr großer Genuss. Wenn Du auf Sardinien bist, bestelle Dir unbedingt mindestens einmal Fregula con Frutti di Mare. Phantastisch und der weltbeste Abschluss dieses Erlebnisses.
Tipico Sardo sind auch Tumballa und Sos Amarettones
Nebenbei, ein Kochkurs bei Pina zu Hause ist ein Rund-Um-Wohlfühl-Programm. Los gings mit der leckeren Begrüßung und einem kurzem Colazione – natürlich auch traditionell sardisch. Der Tumballa ist ein Karamellpudding. Dieser kühle Traum ist ein klassisches, sardisches, süßes Gericht, welches ursprünglich auch Kaffee beinhaltet. Dieses hier lässt mich mit seinem Kern aus Milch, Eiern und aus dem Zucker gemachten Karamell dahinschmelzen.
Die Sos Amarettones sind ebenfalls für die Region typische Kekse, deren Rezept bis ins Mittelalter zurückreicht. Sie bestehen aus Mandeln, Zucker, Eiweiß, Zitrone, kandierte Früchte.
Während meinem konzentrierten Arbeiten gabs immer eine kleine Auflockerung, so dass ich auch schön entspannt und frisch im Flow blieb: Kleine alkoholfreie Erfrischungen und natürlich auch mehrere Caffepausen – einfach echte italienische/sardische Kultur. Auch beim Mittagsessen kam ich ohne Obst, Käse, Pane Carasau und Dolci nicht weg. Kurz um: Vollgefuttert, vollgepackt und rundum glücklich stieg ich nachmittags in mein Auto ein.
Es ist mir ein großes Geschenk, dass ich Pina kennenlernen dufte und verrate an dieser Stelle schon, dass wir in Kontakt geblieben sind und bereits ein weiterer Besuch folgte.
Mehr zu Pina Marcis
Wenn Du auf Sardinien einen privaten traditionellen Koch- oder Backkurs buchen möchtest oder eines ihrer Rezepte, schau gern auf Ihrer Website vorbei:
http://www.lacucinadipippi.it/
Fregula sarda richtig zu machen erfordert mehr als ein Rezept zu befolgen. Wie bei vielen – vor allem sardischen – ursprünglichen Gerichten steckt der Teufel im Detail. Die kleinen Kniffe, die aber wichtig sind, sind aus Rezepten oder Videos nicht vermittelbar oder werden nicht vermittelt. Man kann natürlich eine Version mit einem Rezept nachkochen, es wirklich authentisch zu lernen um zu wissen, auf was ankommt, lernt man direkt im Ursprung, das erfahre ich immer wieder in meinem Begegnungen und bei meinen Workshops.
Abbasanta gehört zum Herz der Folklore und Tradition
Die Region rund um Abbasanta wurde mir von einer Sardin als eine der Hochburgen von Tradition, Geschmack und Kultur angekündigt. Und das ist auch so. Der kleine Ort hat keine 3.000 Einwohner und ist Teil eines Netzwerks ähnlicher Dörfer in Mitten einer landschaftlich wunderschönen Ecke.
Diese Region und die Menschen in den Dörfern leben sehr die sardische Folklore und jahrhundertealte Traditionen. Hier finden sich zahlreiche kulturelle Städten, die Feste zu Ehren verschiedener Anlässe werden in Trachten, mit sardischen Gesängen und den alten Rezepten für Essen und Getränke voller Stolz gefeiert. Es ist daher nicht überraschend, dass sich hier auch viele Manufakturen angesiedelt haben. Du findest in diesem Teil Sardiniens viele typisch sardische Rezepte wie etwa die Culurgiones oder eben auch Pane und Dolci, die einen sehr alten Ursprung haben.
Du hast Lust, selbst Deine Hände ins Semola oder Mehl zu tauchen?
Meine Onlineworkshops findest Du hier. Ich biete einige Pastakurse – auch sardische Pasta – an, die ich Dir prima online in Deiner Küche mit allen ihren Geheimnissen zeigen kann. Du hast einen ganz konkreten Wunsch für eine Pasta oder die Termine passen nicht? Kein Problem, Du kannst mich auch individuell buchen.
Noch mehr Lesestoff?
Mehr Küchenerlebnisse findest Du in meinem Beitrag zu Su Filindeu, Pane Carsau, Ricotta oder in Lerici. oder schau gern in meine aktuellen Rezepte und Travel- und Foodtipps.
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