Sonne und Meer haben wir uns heute doch verdient, oder? Ich nehme euch also mit an den Strand. Aber huch, wer Urlaub an den Mittelmeerstränden der Toskana macht, erlebt häufig statt des langen Sandstrandes und dem direkten Blick aufs endlose Meer lange Promenaden und Strandbad an Strandbad. Vergeblich ist der direkten Zugang und Sicht auf Strand und Meer. Ein ganz besonderer Ort mit dem Charme längst vergangener glanzvoller Zeiten ist Viareggio.
Wer in dem Badeort mit rund 64.000 Einwohnern an der toskanischen Küste unweit von Lucca und Pisa ankommt, erlebt einen Ausflug in die Vergangenheit. Mehr als 8 km reihen sich Bagni an Bagni auf der Meerseite allein im Zentrum des Ortes während auf der anderen Straßenseite zahlreiche historische Villen und prachtvolle Hotels an den einst so mondänen Badeort und seine glamourösen Zeiten erinnern.
Das einst so berühmte Strandbad Viareggio war insbesondere in den 70zigern und 80zigern Jahren Urlaubsort für internationale Stars. Auch heute noch gehört der Ort zu einem der Lieblingsurlaubsorte der Italiener. Wer hier über die Promenade schlendert spürt diese Ära mit jeder Faser seiner Haut und beamt sich in längst vergessene Zeiten zurück.
Viareggio hat ein gemütliches Zentrum zwischen dem Bahnhof und dem Strand mit Fußgängerzone und Einkaufsstraßen. Es hat einen Hafen und eine Hafenpromenade zum Flanieren. Auf der Mole kann man nicht nur zahlreichen Anglern zusehen, sondern bekommt ein traumhaftes Panorama der Stadt mit den dahinterliegenden Gebirgszügen der Apuanischen Alpen.
Karneval in Viareggio
Ein absolutes Highlight ist der Karneval von Viareggio. Er ist nach dem Karneval von Venedig der berühmteste und schönste Karneval mit zahlreichen, geschmückten Wagen. Ich habe die lachende Menge und die Musik im Ohr und bunte Kleider, Motivwagen und Süssigkeiten vor den Augen. Leider fiel er ebenso wie das berühmte Opernfestival, das Festival Puccini, im Jahr 2020 aus.
Wer an der schier endlose anmutenden Promenade spaziert, die mondänen Gebäude sieht und die Architektur aus früheren Zeiten, den Clown und den Charme der Badeanstalten, bekommt ein Gefühl dafür wie schön diese beiden Feste hier gefeiert werden und wie viel italienische Luft hier geatmet wird.
Hier reihen sich Bagni an Bagni
Schließt für einen Moment die Augen, stellt euch mit mir an den Anfang einer mehr als 8 km langen betonierten, breiten Promenade. Die Meeresluft spürt ihr im Haar, die Sonne scheint warm auf der Haut. Statt des endlosen Sandstrandes und des Meeres seht ihre rechts jedoch über die gesamte Länge Reihe an Reihe Bagni an Bagni – Badeanstalt an Badeanstalt.
Manchmal direkt die Strandstühle und Strandliegen nebeneinander. Direkt davor reihen sich kleine Pavillons mit Boutiquen, Designerläden, Cafés und Gelaterias. Dazwischen finden sich auch kleinen Läden, die Strandzubehör von der Strandmatte, über Sonnenschirme hin zu Wasserbällen und Luftmatratzen verkaufen. Auf der anderen Seite der breiten Straße, an deren Seiten sich dicht an dicht die parkenden Autos reihen, stehen historische, ehemals glamouröse Villen und Luxus-Hotels. Viele davon wie etwa das Exelsior Hotel haben geschlossene Fensterläden und sind verlassen. Die Staubschicht liegt praktisch in der Luft.
Strandbadatmosphäre pur
Bei unserem Spaziergang entlang kommen wir vorbei an herrlichen, ehemals edlen Brunnen und Figuren. Fahrradfahrer mit Strandsachen im Körbchen kreuzen den Boulevard, immer wieder folgt das Knattern von Vespas, deren Besitzer braungebrant in Shorts und FlipFlops quer über die Flaniermeile fahren. In den Cafes genießen viele Gäste bei einem Capuchino oder einem Prosecco ihren Urlaub.
Durch die entlangspazierenden Menschen bahnen sich immer wieder Einzelne oder Familien in Badenklamotten, das Handtuch unter dem Arm, die Sonnebrille im Gesicht oder lässig in die Haare geschoben, ihren Weg in die zahlreichen Bagnis. Je näher wir dem Zentrum kommen, je mehr Menschen sind unterwegs.
Wir kommen vorbei am Grand Hotel, heute ein Best Western der gehobenen Kategorie, am legendären Gran Caffè Margherita mit seiner imposanten riesigen historischen Halle, die wie ein altes Wiener Kaffeehaus anmutet und in der man abends hochwertig und gleichzeitig nostalgisch speist. Direkt daneben, steht das Teatro Eden. Genau hier, genau jetzt schließe ich die Augen und habe Popkornduft in der Nase, höre die Musik eines Karussels und das Kinderlachen. Ein Hauch von Jahrmarktflair erwischt mich.
Atme den Duft der italienischen Riviera der 60ziger und 70ziger
Wir tauchen jetzt richtig ein in die 60ziger und 70ziger Jahre und in die Welt der Bagni, die eine ganz spezielle Welt ist. Mit breiter Sonnenbrille, einem Strohhut und den Badeanzug mit einer leichten Bluse darüber befinden wir uns an der italienischen Riviera. Entlang der Toskana gibt es nur wenige freie Strandabschnitte.
Die meisten Strände sind bewirtschaftet, vielerorts verwehren die Badeanstalten den freien Zugang an Strand und Meer. Viareggio ist hier eines der besten Beispiele. Eigentlich ist der Ort in rund 20 km Länge eine einzige Badeanstalt. Nur ganz im Norden und ganz im Süden – etwas außerhalb – gibt es freie Strände zusätzlich zu einem ein gefühlten Quadratmeter freien Strand direkt am Hafen. Dieser Quadratmeter ist nicht nur nicht wirklich ein schöner Strandabschnitt, es ist unfassbar voll und die Beschreibung Handtuch an Handtuch untertrieben.
Strandurlaub wie ein Italierner/eine Italienerin
Bei den Strandbädern sieht man Reihe um Reihe Sonnenliegen und Sonnenschirme. Im Coronajahr stehen sie mit reichlich Abstand. Sie unterscheiden sich alle mit ihren Farben. Das ist auch wichtig, denn als Gast kann man hier leicht mal die Orientierung verlieren, wenn man im Meer schwimmt und beim zurückkommen vor lauter Liegestühle nicht mehr den eigenen Abschnitt findet. Also eigentlich genau die Sorte Ort, an die ich eigentlich niemals gehen würde.
Aber ich möchte ja nun mal das echte Italien entdecken und dazu gehören einfach auch die Bagni. Hier, in diesem Urlaubsort, finde ich nur wenig ausländische Touristen. Hier macht Italien Urlaub. Es ist Kultur und auch Kult. Zugegeben, ich fühle mich zunächst unwohl bei dem Gedanken daran, ein Bagni zu betreten. Ich fühle mich hier einfach fehl am Platz. Es ist zu voll, zu unbekannt und einfach nicht mein Style Liegestuhl an Liegestuhl zu liegen, unterbrochen mit Ausflügen auf die Flaniermeile zum Essen oder im Animationsbereich sich als Cluburlauber fühlen, aber die Neugierde siegt.
Ich möchte gern wissen, wie tausende Italiener ihren Urlaub verbringen. Also hinein ins Getümmel – oder gibt es vielleicht doch ein ruhiges Plätzchen?
Einmal ein Bagni erleben
Wer so richtiges Italienfeeling spüren will und auch ein bisschen den Glanz der heimeligen vergangenen Zeiten der Italosommerurlaube, sollte sich auf jeden Fall einen Tag in einem Bagni gönnen. Aber Achtung: Die Angebote und die Preise sind sehr unterschiedlich und ein Tag kann sehr schnell sehr teuer werden.
Ich empfehle einerseits vor dem Besuch eine Recherche über Tripadviser oder ähnliche Portale und andererseits einen Vergleich vor Ort. Manche Badeanstalten gehören zu einem Hotel im Ort, manche bieten direkt vor Ort Ferienwohnungen und sind daher nicht frei mietbar. Als Basic gibt es in den regulären Bagni einen Sonnenschirm und eine Liege oder Stuhl zu mieten und es gibt WCs, Umkleidehäuschen und mindestens einen Snack- und Kaffeeautomat. Es gibt Badeanstalten mit Spielplatz, Sportangeboten, Animation, Restaurants, Pools, Massageangeboten und noch so einiges mehr und auch die Ausstattung variieren von einfach bis luxuriös. Das alles hat dann natürlich auch seinen Preis.
Auch die Lage des Liegestuhls – also die Nähe zum Meer zum Beispiel – macht einen preislichen Unterschied. Man kann Jahreskarten, Wochenkarten und auch Tageskarten kaufen. Schaut euch einfach die Badeanstalt zunächst einmal an.
Hinein ins Bagnifeeling
Ich habe im Internet mir eins, zwei günstige und gutbewertete Anbieter herausgesucht, bin dann jedoch die Promenade entlang spaziert und habe mir einige mehr angesehen und entschieden, wo ich mich wohlfühlen könnte. Ich bin bekanntermaßen kein Fan von Animation, Lärm, Masse. Mir reicht ein ruhiges Plätzchen, ein Liegestuhl und Sonnenschirm und benötige kein Restaurant, Pool oder Sportangebote und schon gar keine Animation.
Während durchaus Preise von 50 Euro für Eintritt und Liegestuhl aufgerufen werden, fand ich ein sehr gemütliches, einfaches und ruhiges Bagni, bei dem ich eine Liege, einen Stuhl und Sonnenschirm Richtung Meer und ruhig gelegen, viel Platz um mich rum, für 15 Euro bekam. Es lohnt also sich umzusehen.
Eine wirklich sehr freundliche, sehr liebe weibliche Bagnino erklärte mir alles, zeigte mir auf einer Karte die verfügbaren Stühle und Preise führte mich nach Bezahlung herum und brachte mich am Ende zu meinem Liegestuhl. Auch das meint Tipp, traut euch einfach. Wenn ihr unsicher seid, fragt. Ich war auch hier allein unterwegs und habe wirklich nie erlebt, dass mal jemand unfreundlich oder nicht hilfsbereit war.
Bagnino sind die Herrscher über die Badeanstalt. Oft sind sie hier seit Jahren, vielleicht sogar als Familiengeneration, im Einsatz, kennen alles und auch die Urlauber, die Stammgäste, die jedes Jahr ihrem Bagni treu sind.
Entspannung pur unter dem Sonnenschirm
Obwohl vom Wasser ausgesehen der kilometerweite wunderschöne Strand von Viareggio voll mit Urlaubern war, es laut und lebhaft war, verlebte ich einen sehr ruhigen und wirklich entspannten Nachmittag auf meiner Liege unter dem Sonnenschirm mit meinem Buch. Nur als Hintergrundgeräusch nahm ich die lebendig quatschenden italienischen Familien wahr. Ich hörte gedämpft die Rufe und Pfiffe der Salvataggi, der Lebensretter, die am Strand und im Meer über die Urlauber wachen, ich sah den Männer und Frau mit ihren Büchern und einem Cafe und Panini unter ihren Schirmen beim faulenzen und dösen zu und genoss meinen Strandtag in vollen Zügen.
Der Salvataggio wacht über das Meer und seinen Strandabschnitt
Noch ein Wort zu den Salvataggio. Im Sommer gehören die Rettungsschwimmer zur italienischen Landschaft. Sie wachen über ihren Strandabschnitt an offenen, bewachten Bereichen genauso wie in den Bagnis. Baywatch wird niemals an einen echten italienischen Salvataggio herankommen, wie er lässig, braungebrannt in seinen roten Shorts mit Sonnenbrille an seinem Rettungstürmchen lehnt. Wenn ich die roten Ruderboote dazu sehe, fühle ich mich sehr nostalgisch, aber auch heimelig. Ein gutes Gefühl.
Während ich diese Zeilen schreibe fühle ich mich wieder unter meinen blau-weiß gestreiften Sonnenschirm auf meiner Liege liegen und die Sonne meine schon gebräunten Füße wärmen, rieche den Duft des italienischen Cafès in der Hand und spüre den Sand auf der Haut. Preislich fand ich mein Bagni völlig in Ordnung, hatte saubere Toiletten und eine Umkleide, alles war sehr gepflegt und auch der Kaffee schmeckte. Es war für mich ein rund um gelungener Ausflug.
Die Kunst sich zu beschränken
Viareggio bietet zwar noch so vieles mehr, aber ich habe inzwischen gelernt, mich auf ein paar wenige Dinge zu beschränken. Ich möchte nicht nur vieles nur kurz sehen und irgendwie am Ende nirgends wirklich gewesen sein. Das kann ich nur empfehlen. Die Entscheidung mag nicht immer einfach sein, aber sie lohnt sich.
Ich nahm mir insgesamt zwei Stunden Zeit um die gesamte Promenade vom Norden bis zum Hafen im Süden zu erkunden, Gelato zu essen, die Luft des mondänen Seebads der Toskana bei einem Cafe einzuatmen, durch die Läden der Promenade zu schlendern und mich in die frühere Zeit zu träumen. Danach gehörte der gesamten Nachmittag unterbrochen von regelmäßigen Abkühlungen im wunderschönen toskanischen Meer der Erholung in meinem Bagni.
Während der Ort im August wirklich vor Urlauber nur so brodelte, schloss ich an diesem Nachmittag in meinem Liegestuhl alle diese Massen aus und lebte in meiner ganz eigenen, ruhigen Welt zurückversetzt in die Zeit der 70ziger und 80ziger Jahren eines italienischen Sommerurlaubs. Mit Familien, Frauen, Männern in schicken Badeanzügen und Bikinis, Männern in knappen Badehosen, breiten Sonnenbrillen, überdimensionierten Sonnenhüten und Korbtaschen über der Schulter. Deutsche Urlauber findet man hier übrigens weniger. In den Strandbädern urlaubt gefühlt ganz Italien im Sommer.
Ich hoffe Du konntest den Ausflug mit mir genießen. Lass mir gern einen Kommentar da.
Parken in Viareggio
Ach so, noch ein Wort zum Thema Parken. Entlang der kompletten Promenade befinden sich zahlreiche Parkplätze und Parkbuchten, die alle gebührenpflichtig sind. Im Sommer heißt es jedoch sehr früh kommen und Geduld mitbringen, da es bereits am späten Vormittag nahezu unmöglich ist einen Parkplatz in diesem Gebiet zu ergattern.
Solltest Du also genau in dieser Zeit Deine Reise planen, eine alternative Idee wäre noch, etwas außerhalb parken und mit einem Leihfahrrad durch Viareggio düsen. Denn wie die meisten Küstenorte in der Toskana sind diese mit breiten Fahrradwegen perfekt dafür ausgelegt. Also auch hier mein ultimativer Toskana-Mobilitäts-Tipp: Leihe Dir ein Rad und erkunde die Gegend. In der ganzen Toskana, ob im Inland oder an der Küste sind Radwege vorhanden und bieten viele lohnenswerte Touren – zu Strand und auch zum Sightseeing.
Bereit für mehr Toskana? Dann nehme ich Dich auf zwei Tage Pisa mit, was bei Viareggio ums Eck liegt. Ein ganz besonderes Juwel lege ich Dir mit Vicopisano ans Herz. Es ist ein zauberhafter, kleiner Ort zwischen der Küste und Pisa, den Du nicht verpassen solltest.
Mehr Infos zu Viareggio und der Toskana findest Du auch auf der Seite von Visit Tuscany: https://www.visittuscany.com/de/orte/viareggio-badeort-versilia/
Noch mehr Toskana für Dich – genussvoll
Die Toskana ist am Meer genauso wie in den romantischen Hügeln ein Ort des Genusses. Wenn Du zu Hause Dir diesen Genuss auf den Teller holen magst, schau doch gern bei meinen Pastarezepten vorbei. Wie wäre es beispielsweise mit Pici, den dicken Spaghetti der Toskana? Oder verlängere Dir doch einfach Dein Toskanaurlaubsgefühl in meinem Pastakochkursen – egal wo Du gerade bist. Lass uns zusammen Dein Lieblingsgericht aus dem Urlaub kochen. (Funktioniert nur natürlich auch als Verkürzung der Vorfreude auf den noch vor Dir liegenden Urlaub 😉 )
Lerne die toskanische Pastaküche kennen und wie Du selbst Pappardelle oder Pici wie im Urlaub machst: Mein Kochbuch “Pasta con passione”.
Mein Lieblingsrezept: Pappardelle mit Salsiccia toscana e funghi