Papiermühltal

Das Valle delle Cartiere am Gardasee

Planst du gerade deinen Sommerurlaub? Ich habe einen echten Knaller-Tipp für heiße Tage und für Wanderbegeisterte fern ab vom Gardaseetrubel in der ersten Seereihe. Das Papiermühltal in Toscolano-Maderno am Westufer des Gardasees ist ein absolutes Paradies für Wanderer. Es entführt dich aber auch in die Welt des Mittelalters. Du kannst in den Außenanlagen und Ruinen die Anfänge der Papierherstellung nachvollziehen und im Museum die spannende Geschichte rum um die Papierherstellung atmen und entdecken. Romantisch-Wild verbunden mit Geschichte.

Wir befinden uns auf einem idyllischen Waldweg und gehen durch mehrere Tunnel hindurch in ein Tal. Am linken Wegesrand hören wir einen Bach plätschern und das Rauschen eines kleinen Wasserfalls. Die Ruhe wird unterbrochen vom Zwitschern der Vögel. Der Wald ist dicht und es ist schattig. Langsam öffnet sich der Weg, vor uns tauchen die ersten Ruinen im Papiermühltal auf. Während wir über eine Steinbrücke laufen tauchen wir ein in die Zeit des Mittelalters bis 1900. Die Wassermühle läuft, die Frauen sortieren die Lumpen, der Mann spannt die Schürze um und weicht die Lumpen ein um mit dem Schöpfen zu starten.

Papiermühltal
So idyllisch ist es im Papiermühltal

Die Natur hat sich schon einiges der historischen Gebäude zurück geholt

Es ist nicht mehr nachvollziehbar, wie viele Papierfabriken hier wirklich einst standen oder wann die erste Fabrik gebaut wurde. Aufzeichnungen belegen zumindest, dass 1381 direkt am Wildbach in Toscalerno eine Papiermühle stand. Es wurde ein ganz wichtiger Standort für die Papierproduktion, denn das Wasser des Flusses war elementar in der Papierherstellung. Und so siedelten sich immer mehr Papierfabriken an. Es entstand das Papiermühlental; das Valle delle Cartiere.

Wer hier wandert und sich auf den Ort einlässt kann die magische Atmosphäre einer einst florierenden Industrie spüren. Das Tal ist so besonders, weil es zahlreiche Ruinen zeigt, aber auch im Dickicht von Büschen und der Natur ganze Ortschaften verborgen liegen. Eine davon ist Lupo. Gleich am Anfang des Tals und für die Außenwelt verborgen liegen die Trümmer der Fabriken von Zuanelli und Samuelli von der Natur überlagert noch immer hier.

Das Flair der einst florierenden Industrie ist noch zu erahnen

Die Überreste des Orts Maina mit den Fabriken und Wohnungen dagegen sind sichtbar und sehenswert. Der erste Teil des Orts beheimatet heute die Innenräume des Museums und das Cafe, die über eine Brücke zu erreichen sind. Im Vordergrund ist noch ein kleines Mühlrad zu sehen. Fast könnte man meinen, dass aus dem im Hintergrund aufragenden Schornstein noch etwas Rauch zu sehen ist. Wir gehen weiter, vorbei an einer ehemaligen Unternehmervilla und hinein in die Überreste einer weiteren Papierfabrik. 

Wir stehen inzwischen im Herzen des Papiermühltals. Hier öffnet sich das Tal hinauf in die Hänge. Man sieht die mediterrane Pflanzenvielfalt beispielsweise aus Zypressen, Olive, Feigen, Kaki und Lorbeere. Man hört die Geräusche der unterschiedlichen Tiere, hier und da ein Rascheln bei ansonsten völliger Ruhe. Das Tal selbst ist vom Tourismus noch nicht ganz so überlaufen. Es liegt in großen Teilen im Schatten, also auch eine echte Idee für einen Ausflug im heißen Hochsommer. Je nach Saison und Wochentag kannst du – so wie ich – völlig alleine hier unterwegs sein.

Die Natur holt sich das Papiermühltal langsam zurück

Immer im Ohr ist das Plätschern des Baches. Im Auge intakte aber auch Überreste von alten Brücken, Gebäuderuinen, manchmal auch nur im Dickicht herausragend – ehemalige Fabriken, Lagerräumen, Wohnhäuser, und Ansätze einstiger Gärten, die sich die Natur inzwischen zurückgeholt hat. Die Atmosphäre im Hier und Jetzt ist wildromantisch.

Wenn man für einen Moment die Augen schließt und das alles auf sich wirken lässt, kann man auch die Atmosphäre von damals spüren. Man hört die Geräusche der Mühlen, der Arbeiter, die mit der Karre die Lumpen bringen und über die Steinbrücke holpern, die Geräusche der Pumpen und Stampfkessel. Hier pulsierte einstmals das Leben und eine florierende Industrie. hHeute stehst du in mitten von einer traumhaften Natur.

Papiermühltal
Entlang des Weges sieht man die Reste der Gebäude, die sich die Natur zurückholt.
Papiermühltal
Bekommt aber auch einen Einblick der Fabriken
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Und eine Vorstellung der Arbeit früher.

Traumhafte Natur

Die Arbeit selbst war sehr hart. Zunächst wurden die Lumpen angebracht, sortiert und gewaschen, in Wasser und Kalk eingelegt und per Hand gestampft bis sie ein fester Brei wurde. Und dann erst ging es in die Verarbeitung weiter.

Der ganze Vorgang bis hin zur Entwicklung des haltbaren Leimes oder gar Wasserzeichen ist für mich faszinierend. Für die Betreibung dieser Maschinen und das Befüllen der Kanister, aber auch die Ableitung des Wassers brauchte es Energie und die wurde durch die Mühlräder und das Wasser erzeugt.

In den Ruinen des Freilichtmuseums sind viele der Steinbottiche, in die die Lumpen eingeweicht wurden, noch im Original erhalten. Auf dem Weg gibt es viele Bänke und Tische und Gelegenheit für Pausen und einfach auch die Ruhe und den Ort zu genießen – und das einmalige Panorama.

Papiermühltal
Im gesamten Areal des Freiluftmuseums gibt es genügend Rastmöglichkeiten.
Papiermühltal
Der Spazierweg führt dich entlang der mediterranen Pflanzenwelt.

Ein Eldorado für Wanderbegeisterte

Die über das Tal hinaufragenden Hänge bieten zahlreiche Wanderwege und verbinden die Orte Monte Maderno mit Gaino. Einst waren sie Dienstleistungswege, heute sind sie ein Eldorado für alle Outdoorbegeisterten. Sie sind Teil des Naturparks Parco Alto Garda Bresciano. Das gesamte Gebiet kann man herrlich durchwandern, zahlreiche Streckenabschnitte sind in Küstennähe. Man spaziert durch mediterrane Landschaften, mal durchstreift man tiefe Wälder, mal öffnet sich die Landschaft zwischen Pinien und Zypressen und gibt herrliche Ausblicke frei.

Auf den Wegen stößt man darüber hinaus auch immer wieder auf Reliquien längst vergangener Zeiten wie die Überreste von Kalköfen. Die Wanderwege sind gut ausgeschildert. Während man sich für die Erkundung des Papiermühltals inklusive Museumsbesuch und Cafe und einem erweiterten Spaziergang einen Tag Zeit gönnen sollte empfehle ich eine oder mehrere Wanderungen in diesem Gebiet gesondert zu planen.

Papiermühltal
Über diese Brücke führt der Weg zu den Innenräumen des Museum, der Blick ist aus dem Cafe heraus.

Das Museum macht das bisher im freien Gesehene der Papierherstellung erfahrbar.

Die Innenräume des Museums macht das bisher im freien Gesehene erfahrbar. Der Besucherweg versetzt dich in die Innenräume einer intakten Papierfabrik und führt dich in die einzelnen Räume, zeigt die Maschinen und Instrumente und erklärt an Hand von Filmen und Schautafeln die Bedeutung und Geschichte dazu. Der Weg der Papierherstellung führt uns von den Anfängen im Papiermühltal über die Weiterentwicklung und Jahrzehnte und Epochen bis hin zu den Druckmaschinen und endet mit einem Sonderraum zu den Anfängen der Zeitungsindustrie und des Berufs des Journalisten.

Für mein Journalistinnenherz war dieser Raum natürlich ein besonderes Highlight. Aber auch das ganze Tal und die Ausstellung der Neuzeit der Druckmaschinen brachten mich immer wieder zum Lächeln. Ich bin schon immer mit Papier und Büchern verbunden. Ich habe viele Stunden meines jüngeren Lebens in einer Druckerei verbracht, ich weiß noch, wie man ohne PC die Druckvorlagen von Hand setzt und kenne die Arbeit als echtes Handwerk mit hoher Wertigkeit.

Papiermühltal
Nur ein kleiner Einblick in das phantastische Innenleben des Museums – der letzte Raum nach der Ausstelung über die Herstellung von Papier.

Gerade im Zeitalter der Digitalisierung und der immer fortwährenden Entwicklung hin zu E-Ausgaben der Tageszeitung, E-Books, Instagram oder auch Blogs wie diesem ist das Valle delle Cartiere ein einzigartiger Ort. Jeder sollte sich einmal die Anfänge, die harte Arbeit, die ausgeklügelte Technik und die Bedeutung des wichtigen Rohstoff Papier bewußt machen. So wichtig und so vorteilhaft die heutige Technik ist, ein Blick zurück ist oftmals nicht verkehrt.

Man spürt Liebe zum Detail

Ich lege euch den Besuch des Papiermühltals daher ganz fest ans Herz. Ich bin dankbar für die Menschen, die für dessen Erhaltung sorgen und diesen Ort für Menschen wie mich zugänglich machen und all das nicht in Vergessen geraten lassen sondern aufbereiten und erhalten.

Während das Freiluftmuseum kostenfrei zu besichtigen ist, kostet die Besichtigung der Innenräume des Museums Eintritt.  Die Dame, die am Tag meines Besuchs das Museum betreut hat, war so herzlich, ihre Begeisterung für das Tal und das Museum ist sofort auf mich übergesprungen und auch im Museum selbst merkt man an allen Ecken das Engagement und die Liebe zum Detail. Der Besuch dort lohnt sich wirklich – mit dem Eintrittsgeld unterstützt ihr aber auch die wirklich wertvolle Arbeit des Vereins.

Papiermühltal
Die Limo ist herrlich erfrischend, der Platz einfach nur traumhaft.

Eine Stärkung gibts im Museums-Cafe

Im Nachgang von so viel Geschichte, Natur und frischer Luft sollte man sich unbedingt im Museums-Café stärken. Drinnen ist es urig gemütlich mit viel Holz, draußen sitzt man in Mitten der Idylle unter einem Sonnenschirm direkt am plätschernden Bach. Es gibt kleine Gerichte, kalte Snacks und leckeren Kuchen. Neben den gängigen Heiß- und Kaltgetränken gibt es auch Cocktails und – von mir ausgiebig getestet und für phänomenal köstlich befunden – erfrischende hausgemachte Limonaden. Gestärkt und glücklich brechen wir wieder auf und begeben uns auf den Weg zurück zum Parkplatz.

Papiermühltal
Eine der einstigen Villen im Papiermühltal
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Hier und da lucken aus der Natur Gebäuderuinen hinaus.

Ich schreibe diesen Beitrag aus völliger Überzeugung und habe keinerlei Gegenleistung oder gar einen Auftrag dafür erhalten. Den Eintritt sowie meine Bestellung im Cafe habe ich selbstverständlich bezahlt – gern sogar.

Gut zu wissen:

Die Anfahrt:

Die Adresse ist Via Valle delle Cartiere , 25088 Toscolano Maderno (BS). Im Ortsteil Toscolano biegt ihr von der Hauptstraße SS 45 in Richtung Rathaus/ Post ein. Das Papiermühltal ist hier gut ausgeschildert. Die Straße macht eine Biegung, direkt dahinter zweigt links die Via Valle delle Cartiere ab.

Es ist ein Schotterweg, der nicht so ganz aussieht, als ob er zu einem Museum führt, aber ihr seid hier richtig.
Natürlich könnt ihr auch mit dem Fahrrad anreisen oder per Fuß aus dem Ortskern loslaufen. Aus Maderno sind hier zirka 30 Minuten und 2,5 km zu rechnen, je nach dem von wo aus ihr startet.

Papiermühltal
So sieht die Anfahrt zum Parkplatz aus.

Parken:

Du fährst durch den Waldweg durch ein paar Tunnel durch, es mutet zwar etwas merkwürdig an, aber es ist wirklich der richtige Weg und nach ein paar hundert Meter kommt ein kostenfreier Parkplatz.

Toiletten:

Es gibt im Rahmen der Innenräume des Museums Toiletten, aber auch innerhalb des Cafe`s.

Eintritt und Information

Der Eintrittspreis für Erwachsene lag 2020 bei 7 Euro. Das Museum ist derzeit noch geschlossen, wie die Regelungen bei der Eröffnung aussehen, sind aktuell bei Öffnung nachzulesen. Der Besuch eignet sich für Alleinreisende, Paare aber auch für Familie mit Kindern, die im Museum so einiges kindgerecht entdecken können.
Wandern und der Besuch der Freiluftanlagen ist ganzjährig möglich, auch wenn das Museum selbst geschlossen ist.

Alle Infos:  https://www.valledellecartiere.it/en/

Pasta tradizionale del Lago di Garda

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Andere interessante Ausflugsziele am Westufer für Wanderlustige:

Ein Ausflug nach Limone und Umgebung

Der Ponaleweg zwischen Limone und Riva del Garda

Weitere Impressionen aus dem Freilichtmuseum

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