Samtweicher Ravioliteig, der Geschmack von bitterem Radicchio gepaart mit der Würze eines Gorgonzolas oder des milden Ricottas. Ganz fein schmeckst du die spritzig-fruchtige Orange. Das klingt für dich nach einem herbstlichen, kulinarischen Vergnügen? Dann bist du bei diesem Rezept goldrichtig. Ich nehme dich mit auf eine Genussreise wahlweise ins Klassische nach Norditalien oder in den Sardinien inspirierten Urlaub. Während die Tage kürzer werden, die farbintensiven Blätter von den Bäumen fallen, ziehen wir uns am etwas kühler werdenden Abend zurück in die Küche.
Gleich zu Anfang widme ich mich erstmal dem Mysterium, wie ich in ein klassisches norditalienisches Rezept Sardinien mischen kann. Wer mir auf Instagram folgt, erinnert sich vielleicht noch an meine improvisierte Pastasession während eines heftigen Gewitters im Oktober auf Sardinien. Der Herbst hat auf Sardinen einiges zu bieten: Sonne, Wärme, traumhafte Natur an der Küste und im Inland und das alles mit viel Ruhe und wenig Touristen. Dennoch kann dich auch heftiger Wind oder eben auch ein starkes Gewitter erwischen.
So ist es mir gegangen. Einige Stunden wütete es direkt über der Bucht und meiner Ferienwohnung mit Hagel, Sturm und Starkregen. Das Internet fiel aus, der Fernseher sollte später am Abend auch noch folgen und überhaupt war es der legendäre Abend ohne Instagram, Facebook und Whatsapp.
Pasta geht so ziemlich überall herzustellen
Ich habe mir eine Flasche Wein aufgemacht, de Zutaten in meiner Ferienwohnungsküche gecheckt und spontan ein Pastarezept kreiert: Sardische Ravioli mit einem Radicchio-Orangen-Ricotta-Kern. Es war ein absolutes Fest. Während draußen die Welt unterging, ich in der ganzen Appartementanlage der einzige Gast war, knetete ich, improvisierte was Zutaten aber auch Küchen-Equipment betraft und tüftelte am Rezept. Dazwischen immer wieder einen Schluck sardischen Vino – es war ein Cannonau Rosato – und vor dem Fenster die Blitze. Oh, wie ich das liebe. Mein Herz geht in solchen Momenten auf, die Stunden werden zu Minuten.
Pastateig auf Sardinien besteht aus Semola, Wasser und Salz
Während in Norditalien der Ravioliteig aus Eiern und Mehl besteht wird sardischer Pastateig aus Semola Grano Duro, einer Prise Salz und Wasser hergestellt. Mein Teig ist mir an diesem Abend perfekt smooth gelungen. Das allein hat mich schon grinsen lassen wie ein Honigkuchenpferd. Der fertige Teller mit gehackten Nüssen als Topping hat es zu einem Rundumgrinsen gemacht. Es wurde eine absolute sensationelle Geschmackskombi aus Radicchio und Orange und eine fabelhafte schöne Küchenzeit. Home is where a kitchen is.
Wenn dich also das nächste mal Regen und Gewitter auf Reisen erwischen, kremple in der Küche die Ärmel hoch statt dich zu ärgern. Das hilft natürlich auch im trüben Novembergrau zu Hause. Ich hatte versprochen, das Rezept noch einmal zu Hause nachzukochen und hier ist es. Dazu bekommst du noch eine Variante mit Gorgonzola.
Radicchio steht für Venedig und den Gardasee
Die Ernte im Herbst bringt in Italien – vor allem im Norden Italiens – unter anderem den Radicchio hervor. Wir kennen vor allem den runden Radicchio Rosso di Chioggia. Aber genau jetzt kommt auch vermehrt der Rosso di Treviso zu uns nach Deutschland. Er hat eine längliche Form und sieht im Prinzip aus wie der dunkelrote Zwilling des hellen Chicorée. Der Rosso di Treviso kommt aus dem Ort Treviso. Er liegt nördlich von Venedig. Und richtig vermutet: Auch dieser gehört zu den geschützten italienischen Produkten. Für das Rezept kannst du grundsätzlich beide Varianten nutzen. Auf Sardinien hatte ich den runden Rosso di Chiogga und zu Hause im Gorgonzolarezept habe ich den Rosso di Treviso verwendet.
In Italien wird Radicchio vermehrt warm verwendet
Beide Sorten haben einen charakteristischen bitteren Geschmack, sind aber durch die enthaltenden Stoffe sehr gesund. Während in Deutschland dieses Gemüse vorzugsweise in Salaten verwendet wird, ist es in Italien ein fester herbstlicher Begleiter in warmen Speisen beispielsweise von Risotto oder Pasta. Gerade rund um Venedig und am Gardasee findest du damit viele regionale Rezepte.
Treue Blogbegleiter erinnern sich vielleicht noch an mein Koch-Gardaseespecial Anfang des Jahres. Bei einem der drei Terminen kochten wir online direkt mit meiner Freundin Carla am Gardasee Tagliatelle mit Radicchio nach einem regionalen Rezept.
Ravioli sind die perfekte Bühne für Radicchio
Ich habe mich diesmal für eine gefüllte Variante entschieden. Aus meiner Sicht bieten Ravioli die perfekte Bühne für eine raffinierte Füllung mit Radicchio. Warum? Bei gefüllter Pasta ist die Füllung der Star, nicht der Sugo. Das Gemüse steht darüber hinaus ebenso wie Ravioli für die traditionelle norditalienische Küche. Zudem hatte ich Lust mit verschiedenen Geschmackskomponenten zu spielen und einmal die rein rustikale Pastaküche zu verlassen. Manchmal braucht es auch etwas Ausgefalleneres auf der Zunge.
Da ich auf Sardinien nur Ricotta hatte und keinen Honig half ich mir mit der Orange, einen Gegenpart zu dem bitteren Aroma des tiefroten Blattgemüses zu setzen. Auch wenn das hier definitiv kein typisches sardisches Gericht ist, nenne ich es im folgenden Rezept die Sardinienvariante. Sie ist für alle eine tolle Idee, die zur bitteren Note des Radicchios lieber einen etwas milderen, leicht salzigen, frischen Käsegeschmack mögen. Durch die spätere Schmelzung des Ricottas im Sugo erhält das Gericht auch noch eine intensive Cremigkeit.
Klassischer Ravioliteig besteht aus Mehl, Ei, Öl und Salz
Die norditalienische Variante ist dagegen ein klassisch-traditionelles Gericht und besteht entsprechend als Grundlage aus dem klassischen Mehl-Eier-Teig für gefüllte, norditalienische Pasta. Der würzige Gorgonzola bringt neben den Radicchio eine kräftige Note , die Orangenzesten sind dadurch nicht ganz so spritzig-frisch wie in der milden Ricottavariante zu schmecken, aber dennoch eine angenehme Balance. Bei dieser Variante habe ich die Nüsse mit Honig karamellisiert. So entsteht am Ende ein wirklich sehr besonderes Essen. Es ist für mich raffiniert, mit Pfiff, aber herrlich ausbalanciert zwischen bitteren, würzigen und süßen Komponenten.
Wenn du bis hierin durchgehalten hast, vielen Dank dafür. Bis zum konkreten Rezept dauerte es diesmal etwas länger 🙂
Variante 1: Sardische Ravioli mit Radicchio-Orangen-Ricotta-Füllung
Die bekannte gefüllte Pasta Sardiniens sind die Culurgiones. Diese Sorte wird wie auch die anderen sardischen Pastavarianten aus Semola Grano Duro, einer Prise Salz und Wasser hergestellt. Pro Person rechnen wir 100 g Semola, ca 50 ml Wasser und eine gute Prise Salz. Die Zutaten verknetest du intensiv, rund acht Minuten, bis es ein glatter Teig ist, formst ihn zu einer Kugel und lässt ihn in Frischhaltefolie gewickelt ca 30 Minuten ruhen. Eine ausführlichere Anleitung findest du in meinem Rezept für die Malloreddus.
Während der Teig ruht gehen wir an die Füllung. Pro Person hacken wir 1/3 rote Zwiebel, waschen und schneiden einen halben Radicchio in Streifen, reiben von einer Bio-Orange die Schale. Ca 120 g Ricotta stellen wir uns auch noch bereit. Die Zwiebel dünsten wir in einer Pfanne mit Öl an, fügen den Radicchio hinzu und dünsten alles ein paar Minuten, bis der Salat zusammengefallen ist. Abkühlen lassen und mit dem Ricotta, wenn er kalt ist, verrühren.
Die Ravioliform freihändig
Den Teig ausrollen, mit einem Löffel kleine Füllungshäufchen mit etwas Abstand auf eine Teigbahn auftragen. Sofern du mit einer Pastateigmaschine arbeitest, nimm Stufe 7 von 9. Jetzt schlägst du die Teigbahn um und drückst vorsichtig um die Füllung herum den Teig an und dabei etwaige Luft hinaus. Das ist wichtig, damit das Ravioli nicht beim Kochen reißt. Sollte der Teig dabei schon antrocknen, kannst du die Nahtstellen mit etwas Wasser anfeuchten. Der Teig muss gut verschlossen sein. Jetzt kannst du die Ravioli mit einem Messer ausschneiden.
Ich habe einen sardischen Pastacutter verwendet. Auf Sardinien ist dies ein ganz besonderes Kunsthandwerk für Pasta- und Konditorkunst. Du kannst die Ravioli auch mit einem normalen Cutter oder eben einem Messer ausschneiden oder mit einer Form oder einem Wasserglas ausstechen.
Damit sie bis zum Kochen nicht kleben streue den Ablageteller mit etwas Mehl ein oder nutze Backpapier oder ein Geschirrtuch als Unterlage. Wenn du die Pasta vorbereitest und nicht gleich kochst, kannst du sie nebeneinander gesetzt abgedeckt auch im Kühlschrank noch ein paar Stunden lagern.
Das Wasser zum Kochen bringen und die Ravioli rund vier Minuten kochen. Gleichzeitig erhitzen wir noch mal eine Pfanne mit etwas Öl und braten noch etwas des in Streifen geschnitten Radicchio an, fügen einen EL ausgepressten Orangensaft hinzu und nehmen das Ganze vom Herd. Zwei Esslöffel des Pastawassers in die Pfanne geben und etwas Ricotta darin einrühren, sofern du Reste der Füllung hast, nimm diese. Ein paar Walnüsse hacken, die Ravioli in den Sugo gleiten lassen und gemeinsam mit den Nüssen servieren.
Variante 2: Norditalienische Ravioli mit Radicchio-Orangen-Gorgonzola-Füllung
Pro Person besteht der klassische Pastateig für Ravioli in Norditalien aus 100 g Mehl (Typ 00 – die deutsche Alternative ist das Weizenmehl Typ 405), 1 Ei Größe M, eine Prise Salz und einen Schuss guten Olivenöl. Für die Füllung brauchst du ½ Radicchio, ½ Schalotte oder kleine Schalotte, rund 150 g Gorgonzola. 5 / 6 Walnüsse, etwas Honig, einen Hauch Muskatnuss, Bio-Orange.
Die Anleitung für den Teig findest du im Rezept der Caramelle. Während der Teig ruht kümmern wir uns nun um die Füllung mit Gorgonzola.
Die Füllung mit Gorgonzola
Einen halben Radicchio in Streifen schneiden, von einer Bio-Orange die Schale reiben, die Schalotte hacken, gern sehr klein. Orangenschale reiben. Zwiebel in Öl in einer Pfanne anbraten, Radicchio hinzufügen und andünsten. Bei Bedarf mit etwas Pfeffer oder Muskat abschmecken. Die Masse abkühlen lassen und dann mit klein gewürfeltem Gorgonzola und den Orangenzesten vermengen.
Den Pastateig wie oben beschrieben ausrollen und die Ravioli herstellen. Während das Pastawasser und dann auch die Ravioli kochen richten wir etwas Soße. Dafür klein gehackte Walnüsse in einem Löffel Honig mit einem Löffel Wasser in der Pfanne karamellisieren, noch etwas in Streifen geschnittenen Radicchio hinzufügen und andünsten. Die Masse vom Herd nehmen, einen Löffel der ausgepressten Orange hinzufügen, einen Löffel Pastawasser ebenso und darin den restlichen Gorgonzola schmelzen. Die fertigen Ravioli darin schwenken – und servieren.
Es ist wichtig, den Käse nicht in die zu heiße Pfanne zu geben sondern von der Herdplatte zu ziehen, etwas abkühlen und mit warmen Pastawasser zuvermengen. Andernfalls gerinnt der Käse. Mit dem Pastawasser entsteht eine angenehme Cremigkeit.
Reiseinspiration zu diesem Gericht gesucht?
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